Wann werde ich berühmt?

Ich wünsch­te, ich wür­de end­lich ent­deckt wer­den. 3sat oder der SWR wür­den mir einen kur­zen Bei­trag wid­men, wo ich ernst in der FuZo einer gro­ßen Stadt ste­hen wür­de, wäh­rend rings um mich der Pöbel in Zeit­raf­fer an mir vor­bei­lie­fe. Oder auf dem Land, nicht weit eines Auto­bahn­rast­plat­zes, wo ich auf einen zuge­fro­re­nen Bade­teich schaue und andäch­tig bin. Aus dem Off wür­de eine schö­ne, kul­tur­träch­ti­ge Stim­me über mein Werk spre­chen und mich als den weib­li­chen Mes­si­as der deut­schen Kul­tur­land­schaft fei­ern. Ich wür­de eine Ziga­ret­te dabei rau­chen und mich sehr ernst neh­men, wenn ich erzäh­len wür­de, dass ich schrei­ben muss, ja gar nicht anders kann, als zu schrei­ben. Sträh­nen mei­nes vol­len Haupt­haars wür­den mir läs­sig ins Gesicht hän­gen, die ich mir mit mei­nen fein­glied­ri­gen Fin­gern aus den Augen strei­chen wür­de. Schrie­be ich nicht, so wäre ich tot.
Lei­der rau­che ich seit vie­len Jah­ren nicht mehr (vier) und wenn ich nicht schrei­be, was meis­tens vor­kommt, schie­be ich mir die Hälf­te eines Nuß­strie­zels von Ölz in den Mund, von dem mir spä­ter schlecht wird und auf­grund des­sen ich mich erst ein­mal hin­le­gen muss. Mei­ne flin­ken Wurst­fin­ger bedie­nen geschickt im Lie­gen die Fern­be­die­nung, um Net­fli­xes Anma­ßung (“Schau­en Sie noch?”) mit einem ent­schie­de­nen Ja zu beant­wor­ten. Ja, du Sau. Ich den­ke, die Bild­qua­li­tät war schon ein­mal bes­ser. Aber es ist nur der dich­te Fett­film auf mei­ner Bril­le, der mir die HD-Qua­li­tät, in der ich nor­ma­ler­wei­se schaue, ver­wehrt. Mein unge­wa­sche­nes Spa­ghet­ti-Haar klebt eng an mei­ner Kopf­haut. Wenn ich nicht schrei­be, ja, dann lie­ge ich, mein hoff­nungs­los über­al­ter­tes, vom Mund abge­spar­tes Mac­Book (Bau­jahr 2013) auf mei­nen Ober­schen­keln, die bereits Ver­bren­nun­gen zwei­ten Gra­des vor­wei­sen. Ich schaue mir die Snaps dritt­klas­si­ger Insta­gramstars an, halb so alt wie ich und die ver­stan­den haben, sich selbst zu jeder gege­be­nen Zeit opti­mal in Sze­ne zu set­zen, wäh­rend ich in mei­nem ver­krus­te­ten Bär­chen­schlaf­an­zug über ihr Dasein urtei­le. Mei­ne Aben­de ver­brin­ge ich in den siche­ren Wän­den mei­ner Woh­nung, weil es mir Panik berei­tet, auf Ver­an­stal­tun­gen zu gehen, um in ein­sei­ti­gen Gesprä­chen Mei­nun­gen zu hören, die mir egal sind. Man wür­de mich der Rhe­to­rik wegen fra­gen, wie ich zu Din­gen ste­hen wür­de. Ich wür­de mich ver­has­peln und stot­tern, weil ich das Reden nicht kann und weil es mir schwer­fällt, aus dem Steh­greif her­aus etwas zu erfin­den.
Irgend­wann. Irgend­wann wird man mich ent­de­cken. Ich wer­de war­ten. Bis dahin stre­cke ich mei­ne klei­nen Fäust­chen gen Him­mel und rufe nach Allah. Denn Gott ist groß.

3.11.2016